Mutter war von ihrer Familie her und vom Kaiserswerther Lehrerinnenseminar sehr streng erzogen. Vater hatte als junger Mann, als er noch keine Pfarre hatte, in Keilau, einem Internat im Fröbelschem Sinne, unterrichtet und gelernt, dass auch Kinder schon Persönlichkeiten sind, und man durchaus mit ihnen eine Sache besprechen kann. Die Eltern nahmen Rücksicht aufeinander, aber manchmal geriet die Erziehung doch ins Pendeln, und so dumm war keiner von uns, dass wir das nicht ausgenutzt hätten.

Das Haus sah sehr schön aus, zweistöckig mit einem Giebelzimmer und Bodenkammer. An der Westseite waren jeweils 5 Fenster mit Bögen, die Haustür war an der Südseite und das Fenster vom oberen Flur und darüber die Fenster vom Giebelzimmer und einer Bodenkammer. Rechts neben der Haustür und darüber neben dem Flurfenster waren die Fensterchen von den Klos. Friedrich Wilhelm hat sich unten mal eingeriegelt und bekam den Riegel nicht wieder auf. Da kletterte Mutter mit einer fast zu kurzen Leiter durch das fast zu kleine Fenster, in dem sie sich noch drehen musste, ins Kämmerchen. Das gab aber einen Angstgeschrei, als es für Friedrich Wilhelm auch noch restlos dunkel wurde. Wir standen draußen und bewunderten die Zirkusnummer mit aller Angst, die dazu gehörte.

Nach der Westseite langen 3 Zimmer, unten Vaters Vorzimmer mit Aktenschrank, einer langen, harten Bank und einem Tisch mit Schreibmaschine, einer Tür zum Flur und einer Tür zum Studierzimmer. Auf der harten Bank hat wohl nie jemand auf Vater warten müssen.
Vaters Zimmer wie auch der Salon (eingedeutscht als Gesellschaftszimmer ) waren vom Architekten gleich mitmöbliert worden. Das sollte praktisch sein, denn genau wie die Diplomaten blieben die Pfarrer nicht ihr Leben lang dort. Aber die Eltern hatten ja noch von der Mietwohnung her eigene Möbel, von denen sie sich nun trennen mussten.

Ich war sehr erstaunt, als ich mit 20 Jahren das Haus wieder sah, wie klein die Zimmer waren, kaum 4 mal 4 m2 die größten Zimmer. Dem Architekten machte es aber mächtig Spaß, die Möbel zu entwerfen. Er war ein Riese, dazu noch ein Sitzriese, und Vater 1,68m groß. Er entwarf die Möbel nach seinen Maßen. Das war ihm auch bei der Kanzel passiert. Dort musste noch eine Stufe aus Holz eingebaut werden, damit es zum Sichtkontakt zwischen Pfarrer und Gemeinde kommen konnte. Als Vater sich an den Schreibtisch setzten wollte, reichte er nicht an die Schreibtischplatte heran. Da mussten unter alle Stuhlbeine noch Messingklötze anmontiert werden. Ich weiß nur, dass die Stühle sehr schwer waren, massive Eiche und Messingklötze. Rechts und links von der Tür zum Vorzimmer standen zwei schmale Bücherschränke. Am 1. Fenster stand der geliebte Schaukelstuhl, zwischen den Fenstern hing ein Regulator, darunter stand ein Sessel. An der dritten Wand stand der große Schreibtisch mit vielen Fächern, darüber hing ein Kaiserbild. An der Seite war auch die Tür zum Gesellschaftszimmer und somit diese Wand besetzt. Unter dem Schreibtisch haben wir oft Trost und Ruhe gefunden, wenn uns diese Welt mit ihrer Not zu schaffen machte. Es war wundervoll, sich in Vaters Nähe so geborgen zu fühlen. An der Wand zum Flur stand ein grünes Ledersofa mit Einbauschränkchen. In dem einen verschwanden die Süßigkeiten, die wir geschenkt bekamen, und wurden sonntags nach dem Mittagessen gerecht und sparsam verteilt. Auf das Sofa rettete sich Mutter, um die Babys zu stillen, was sie jedes Mal 2 Stunden kostete. Vor dem Sofa stand ein hoher, kleiner Tisch.

Auch das Gesellschaftszimmer war vom Architekten möbliert worden. Die rot gebeizten Eichenmöbel waren im Worpsweder Stil gehalten. Sie waren sehr empfindlich gegen Wasserspritzer und färbten ab. Sonst sahen sie gut zu den grauen Portieren, dem Teppich, dem Sofa und den grau bezogenen Stühlen aus. Zu gebrauchen waren sie allerdings nicht. Der Damenschreibtisch war winzig, das Ührchen war von der Marke ” außen fix und innen nix”. Zwischen den beiden Fenstern stand ein großer Trumean mit Blumenkrippe, noch ein Ständer mit einer Zimmertanne vor einem ”Teewagen”, der sich zu nichts außer zum Staubwischen eignete. Daneben an der Stellwand stand das Sofa mit Umbau, auf dem man nur Herumstellerchen unterbringen konnte. In der Ecke stand ein eiserner Ofen, der mit einem Marmorumbau versehen war, der aber verhütete, dass die Wärme ins Zimmer kam, daneben eine sehr schmale Vitrine. Dann stand man schon wieder an der ersten Wand und an der Tür zum Flur. Um diese Tür war das Zimmer breiter als das Studierzimmer. Vor dem Sofa stand auch ein kleiner, hoher Tisch und Stühle. In diesem Zimmer empfing Mutter Nachmittag für Nachmittag Gäste bei Tee und Keksen. Es waren viele einsame Fräulein, die als Erzieherinnen, Hausmädchen, Köchinnen und ähnlich einsame Gestalten arbeiteten, die ihren freien Tag genommen hatten.