Erinnerungen an Madrid – Unser Madrider Haus von Hildegund Möller

Als Vater nach Madrid kam, hatte die deutsche, evangelische Kirche nur einen gemieteten Betsaal. Der war auch inzwischen zu klein geworden und lag in einem Hinterhaus. Im Hof war eine Naturschwammfabrik, die recht hässlich roch, weil die Schwammtiere, die die Gerüste aufgebaut hatten, zur weiteren Bearbeitung herausfaulen mussten. Wenn man den Hof und die Treppe überwunden hatte, war man von dem schönen Saal überrascht. Die Gemeinde brauchte eine eigene Kirche. Die Eltern wohnten auch in einer Mietwohnung.

Von Deutschland aus wurde das Vorhaben unterstützt. Da wurde nun eifrig nach einem Grundstück gesucht, aber die Pläne scheiterten immer wieder, denn niemand wollte sich schuldig machen und evangelischen Ketzern helfen. Schließlich sollte ein Grundstück neben dem Botschaftsgebäude verkauft werden und wurde von der Botschaft gekauft. Als die Besitzer erfuhren, dass eine evangelische Kirche dort gebaut werden sollte, war der Verkauf schon perfekt, und sie konnten nicht von dem Vertrag zurücktreten.
So ist es gekommen, dass ich und alle jüngeren Geschwister auf deutschem Boden geboren sind. Der spanische Staat verlangte, dass die Kirche weder zu sehen noch durch Turm, Glocken und Kreuz als solche zu erkennen wäre.

Da musste der Bauplan danach entworfen werden. Schließlich sah es dann so aus, dass das Pfarrhaus hinter einem kleinen Vorgarten lag. Die Front zeigte nach Westen, die Giebelseite nach Süden. Parallel dann hinter dem Haus, durch einen Hof getrennt, mit der Apsis nach Süden stand die Kirche mit 300 Sitzplätzen, für deutsche Begriffe mehr eine Kapelle. Beide Gebäude wurden im romanischen Stil erbaut und erinnerten an die Wartburg.

Die Apsis wurde mit Mosaik (wie zur selben Zeit die Elisabeth- Kemenate) ausgeschmückt, Christus als Weltenrichter. Der Altar war 4 m hoch und zeigte auch im Mosaik den Auferstehungsmorgen.

Das Gelände steigt von der Straße her an. Der Weg zur Kirche führte am Eingang des Pfarrhauses vorbei und war mit Kopfsteinpflaster befestigt, durchaus stilgerecht, aber die Damen brachen dabei ihre hohen Absätze ab, und da die Menschen wertvoller sind als der Stil, wurde der Weg betoniert. Zum Vorgarten führten 3 Stufen herauf. Da haben wir gern gespielt. Das Gitter zur Straße war mit Jelänger-Jelieber bewachsen- sollte es sein- aber wurde von den Schuhen der neugierigen Kinder an seiner Entfaltung stark gestört. Da stand auch eine Laube, die mit wildem Wein bewachsen war und ein herrliches Haus für unsere Rollenspiele war.

Vater hat uns auch eine Schaukel angebracht. Dem Haus zu wurde der Garten durch eine kleine Hecke mit Büschen geteilt. Dann traf man auf ein rundes Beet mit Rosenstöcken. Da gedieh aber eigentlich nichts mehr, weil dort ein gepökelter, aber verdorbener Schweinekopf seine letzte Ruhe gefunden hatte. Unser Sandhaufen war auch dort. An der Wand zum Nachbarhaus gedieh eine weiße Kletterrose. Auf der Hofseite war diese Wand durch den Eingang zur Kirche und die überdachte Treppe zur Empore verdeckt. Über dem Eingang zur Treppe war oben ein Balkon, auf dem man vom Kinderzimmer aus kam. Am Ende der Treppe war oben auch ein Balkon mit dem Eingang zur Empore.

Das Dach wurde in dieser Höhe vom Haus bis zur Kirche von kleinen Säulen mit romanischen Bögen getragen. Unter der Treppe war noch eine schöne Nische ausgespart. Unter dem Eingang zur Empore war ein Portikus, auch von Säulen getragen. Das waren herrliche Spielecken. Meistens durften wir dort spielen, manchmal auch nicht. Man lernte schnell, sich nach dem ” Wetter” zu richten.
